“Geiz ist geil” und gratis ist natürlich am besten, verständlich. Aber wenn etwas gratis ist, dann bist du der Preis - nie gehört?1 Deine persönlichen Daten, damit bezahlst du. Ob E-Mail-Account und Adressbuch, Kalender, Chat, Cloud-Drive für die Fotos, Video-Kanäle, Social Media, Landkarten und GPS, Alexa, Online-Software, Kreditkarten und andere Zahlungssysteme, Kunden-/Bonus-Karten, smarte Gadgets, Apps für dies und das oder direkt das ganze Handy: du bezahlst. Sogar einen hohen Preis, nur das spürst du erstmal nicht, weil es vorläufig keine Schmerzen verursacht.
Wo ist der Trick?
Also warum ist dieser ganze Käse gratis? Na ja, hast du dich nie gefragt, warum ausgerechnet die Firmen, die so viele coole Produkte und Leistungen gratis anbieten, zu den reichsten und bedeutendsten Konzernen der Welt zählen? Das ist wohl so wie bei den Philanthropen: je mehr sie verschenken, desto reicher werden sie. Irgendwas machen wir anderen demnach falsch.
Der Trick ist das akribische Sammeln unserer Daten. Praktisch jeder nutzt heute digitale Geräte, zu Hause oder hat sie ständig in der Hand oder am Handgelenk. Wer jedoch allzu arg- und gedankenlos in der digitalen Welt unterwegs ist, hinterlässt überall Spuren und verteilt großzügig tonnenweise persönliche Daten. Von der schlichten Internet-Suche über das Anschauen von Webseiten oder das Chatten bis zum Einkaufen, erst recht auf dem Smartphone (und sonstigen “cleveren” Geräten): jeder Click, jedes Like, jedes Teilen, jeder neue “Freund”, jedes Foto, jedes Etikett, jeder Kommentar, jeder Song, jedes Video, jede Serie, jede Zahlung, jede Fahrt, jede Bewegung, jeder Blick: alles wird rigoros erfasst und gespeichert, mit Datum, Standort etc. Und macht die Datensammler immer schlauer.
Macht nichts, meinst du? “Ich habe nichts zu verbergen.” Ach ja? Mag sein. Das ist aber gar nicht der Punkt und der Schutz deiner Privatsphäre ist nur ein Aspekt! Es sind nämlich weniger konkret deine Daten so interessant, sondern die große Masse, und damit lässt sich viel Unheil anrichten.
Daten sind Geld und Macht
Daten sind heutzutage unglaublich wertvoll, sie bedeuten Geld und Macht. Genauer gesagt sind zwei Arten von Daten besonders interessant: unsere Nachfragemotivation und unsere Zahlungsfähigkeit. Also einerseits unsere Interessen und Bedürfnisse sowie andererseits unsere finanziellen Möglichkeiten.
“Wer Macht ausüben oder Geld verdienen möchte, muss wissen, wie er Menschen dazu bringen kann, das zu tun, was seinem Ziel dient.“2
Solches Wissen kann man aus derartigen Datensammlungen problemlos abgreifen. Erst recht, wenn man den “Rundum-sorglos-Zugriff” auf diese Daten hat, wie zum Beispiel Google, dem viele Menschen so ziemlich alles anvertrauen.
Nur ein simples Exempel: Mit deinem Google Chrome Browser googelst du etwas, was Google registriert, du bekommst von Google personalisierte Ergebnisse, klickst einen Link aus der Liste, den Google registriert, auf der Ziel-Webseite ist personalisierte Google-Werbung platziert (weil die so gut funktioniert) und Google Analytics installiert (weil das so aufschlussreich ist), daher weiß Google auch, was du auf dieser Webseite alles machst, dann reagierst du vielleicht auf die Werbung, was Google wiederum registriert, wodurch du den Datenpool erneut verbessert hast und Google beim nächsten Mal alles noch genauer auf dich zuschneiden kann und seine Dienste noch wertvoller sind. Solltest du den Vorgang auf deinem Google Android Handy durchführen, bitte mit allen biometrischen Features aktiviert, umso besser. Und wenn du dabei sogar noch einen Bezahlvorgang3 hattest, am besten mit Google Pay, ja perfekt.
Das nennt sich “Big Data”: das Erfassen, Speichern, Analysieren und Auswerten von riesigen Datenmengen. Dabei suchen Algorithmen4, unterstützt von künstlicher Intelligenz, nach Zusammenhängen und Mustern zu den verschiedensten Fragestellungen. Und die finden sie, denn wir sind längst nicht so einzigartig, wie wir gerne glauben. Dutzende Menschen denken und handeln praktisch genauso wie du, haben ein sehr ähnliches Profil. Anders ausgedrückt:
Je besser man dich kennt, desto besser kennt man viele andere - und umgekehrt!
Erkennen, vorhersagen, steuern
Weniger bedenklich sind dabei vielleicht Dinge wie "Sollen Claudia die Filme empfohlen werden, die Anne mag?". Dennoch sehen wir schon an diesem, genau wie am obigen Suchmaschinen Beispiel, dass man Menschen mit den Erkenntnissen aus der Datenflut auch beeinflussen kann. Noch heikler wird die Sache z.B. bei der Frage, ob ein Kunde kreditwürdig ist oder nicht, denn so etwas kann nicht objektiv und eindeutig beurteilt werden, dazu gehören auch Annahmen, Intentionen und Ideen von Menschen über unsere Welt.
Hier betreten wir den Bereich der Berechnungen der Zukunft. Diese “Prädiktive Analyse“ ist längst keine Science-Fiction mehr, sondern Realität. Zum Beispiel im Marketing, im Finanz-, Versicherungs- oder Gesundheitswesen und tatsächlich zur Vorhersage von Straftaten (“Predictive Policing“) wie damals im Film “Minority Report”5. Das mag teilweise berechtigtes Interesse sein, komplexe Zusammenhänge vorherzusagen, um Entscheidungen zu treffen.
Aber die Macht ist enorm, dem Missbrauch stehen alle Tore offen und der blöde Datenlieferant (gläserner Bürger, Kunde, Patient) wird letztlich immer der Verlierer sein. Wenn du nämlich keinen Kredit oder keine günstige Versicherung bekommst, wohnst du vielleicht einfach im falschen Viertel, hörst die falsche Musik oder hast die falschen Freunde. Benachteiligung, Diskriminierung und Manipulation als Ergebnis deiner Freigiebigkeit, alles ist möglich. Nur ein Beispiel ist der Skandal um die Datenanalysefirma Cambridge Analytica und die Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern.
Die Falle schnappt zu
Wundert es noch jemand, warum die Digitalisierung seit langem allüberall mit Hochdruck vorangetrieben wird? Speziell seit 2020 erleben wir den Versuch, unser gesamtes Leben vollständig zu digitalisieren (Home-Office, Home-Schooling, Home-Shopping, Home-Cinema, Online-Meetings, bargeldlos zahlen, …). Zu Hause eingesperrt, ohne persönliche Kontakte, da ist Online unheimlich praktisch. Obendrein bequem, zack haben wir uns daran gewöhnt.
Denn nicht nur Firmen sind an unseren Daten interessiert, sondern auch der Staat (wenn auch teils nur als Handlanger). Digitalisierung wird uns als Aufgabe und Disziplin für Wirtschaft und Gesellschaft verkauft. Ob in der Verwaltung, im Bildungssystem, im Finanz- oder Gesundheitswesen, in der Sicherheitspolitik oder die “Smart City” und das “Internet der Dinge“: alles alternativlos. Und gelegentliche Bedenken bezüglich, Privatsphäre, Datensicherheit oder Missbrauch werden meist schnell vom Tisch gewischt.
Der Gipfel der Datensammelei ist die so genannte “digitale Identität“. Darunter darf man nicht “nur” eine Art Kennziffer zur Identifikation verstehen, sondern vor allem eine umfangreiche digitale Sammlung unserer persönlichen Daten einschließlich biometrischer Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtsfotos, gespeichert irgendwo in der Cloud.
“Wenn wir digitale Identität sagen, müssen wir das verstehen als die Summe aller Attribute, die über uns in der digitalen Welt existieren; eine laufend wachsende und sich ergänzende Sammlung [...] Da gibt es wirklich keinerlei Grenze.”6
Das will die EU, das will Deutschland, das wollen die USA, das wollen G20 und Weltbank und das wollen vor allem die Konzerne. Ich will das nicht. Denn dieser Weg ist schon lange vorgedacht und beschrieben. Das Konzept einer transnationalen digitalen Identität existiert und jede Menge Projekte arbeiten daran (Stichworte: ID2020, Known Traveller ID, biometrische Datenbanken, globaler digitaler Impfpass, digitale Inklusion, Bargeldabschaffung oder Social Credit). Auf höchster Ebene, mit sehr mächtiger Lobby und mit üppigen finanziellen Ressourcen.
Dieser Weg führt in der Perspektive zum weiteren Abbau der Demokratie und in die totale Kontrolle. Wer das nicht glaubt, der schaue mal nach China, das auch im “freien Westen” allzu oft wegen genau solcher totalitären Praktiken gelobt und beneidet wird. Doch das sprengt hier den Rahmen, dazu wird es sicher demnächst einen weiteren Artikel geben.
Meine Haut gedenke ich jedenfalls, teuer zu verkaufen.
Es gibt sicher Ausnahmen (wie z.B. im Open Source Bereich), aber man muss schon sehr genau hinschauen.
Wolfgang Wodarg, “Falsche Pandemien“, Rubikon 2021, S. 295
Elektronische Zahlungen erzeugen halt immer Daten und die fließen in den großen Pool. Google Pay ist nur ein Beipiel. Ein anderes ist PayPal: die sind verpflichtet, eine Liste mit ihren Partnern (Drittparteien) zu veröffentlichen, an die Kundendaten weitergegeben werden. Diese Liste ist beeindruckend, nicht nur wegen ihrer Länge von derzeit über 130 Seiten (Stand 10/2022). Deine persönlichen und Transaktionsdaten gehen demnach beim Anmelden, Bezahlen etc. in alle Welt und werden dort auch weiter gespeichert.
Zu Algorithmen siehe auch:
Deutschlandfunk, “Total berechenbar? Was Algorithmen mit unseren Daten machen“, 04/2016
Siemens Stiftung, “Algorithmen in unserem Alltag“
Spielbergs Film “Minority Report“ von 2002. Berater: Peter Schwartz, Futurologe.
Siehe dazu auch: “Big Data bei der Polizei: Hessen sucht mit Palantir-Software nach Gefährdern“, 06/2019
Blockchain Observatory der Europäischen Union, “Blockchain and Digital Identity“, 05/2019